Das Hupen der Autos höre ich kaum noch, wenn ich morgens etwas mehr als eine Stunde zur Arbeit fahre. Wenn die Klimaanlage nicht im Taxi kaputt ist (Die Chancen stehen 50:50), genieße ich die Fahrt sogar. Mehr Privatsphäre als hier, gibt es in Indien eigentlich nicht. Man ist immer unter Menschen, ob auf der Straße oder Zuhause. Je mehr desto besser.

Während ich schlaftrunken aus dem Autofenster starre, bin ich immer fassungslos wie viele Menschen schon am Straßenrand und auf den Straßen selbst stehen. Egal in welche Richtung man blickt – Menschen überall Menschen! Jede Bank ist besetzt. Selbst der Grünstreifen inmitten des Verkehrs dient als Nutzfläche – mal als Schlafplatz, mal als Stauraum für ein paar Habseligkeiten. Offiziell leben rund 17 Millionen Menschen in Dilli, aber inoffiziell wahrscheinlich noch viel mehr. Nur kurz zum Vergleich: In Bonn leben rund 330.000 Menschen oder in der gesamten Schweiz knapp 8 Millionen.

Wenn wir mit dem Team auf einem Dreh unterwegs sind, tummeln sich gerne Menschenmassen um die Kamera – mindestens die Anzahl einer gesamten Schulklasse umrundet uns dann. Möchte man näher zu seinem Protagonisten vordringen, ist dies nicht immer so einfach. Auch der Transport der Kamera und des Stativs können sehr schleppend voran gehen. Das Gewusel gehört eben dazu.

Meine Familie ist kein großer Fan der Massen. Im Gegenteil, sie meiden diese so gut es geht. Auf Großveranstaltungen würden sie niemals gehen. Es reicht das Spektakel im Fernsehen zu betrachten. Zuhause hingegen stört sie ein bisschen Betrieb rein gar nicht. Meistens tummeln sich alle Familienmitglieder entweder im Ess- oder Schlafzimmer. Tagsüber wird so der Alltag geregelt und der Schnuckel der Familie bespaßt und abends guckt man gemeinsam indische Soaps. Auch aus Sicherheitsgründen bewegen sich Frauen eigentlich selten alleine aus dem Haus. Manche auch niemals. Mittlerweile ist meine Familie damit einverstanden, wenn ich mal alleine in Delhi unterwegs bin (vorausgesetzt sie kennen meinen Taxifahrer und zwingen ihn so lange zu warten, bis ich wieder nach Hause fahre). Als ich vergangene Woche abends das erste Mal aus war, haben dann aber doch alle gewartet bis ich wieder im sicheren Nest war.