Eine Stunde lang flackert ein kleines Licht auf dem Bildschirm – der indische Fernsehsender NDTV protestierte gegen den Bann der Dokumentation „India’s Daughter“. Der Film erzählt die Geschichte der indischen Studentin Nirbhaya – sie wurde 2012 von einer Gruppe junger Männer missbraucht und starb an ihren schweren Verletzungen.  Die britische Filmemacherin Leslee Udwin will mit ihrem Werk weltweit für Frauenrechte kämpfen, doch ausgerechnet in Indien verbietet die Regierung den Film.

Kritisiert wird, dass einer der Vergewaltiger im Film ausführlich zu Wort kommt und das Opfer selbst mitverantwortlich macht: „Ein anständiges Mädchen würde nicht um 21 Uhr abends auf der Straße herumstrolchen,“ sagt der Verurteilte Mukesh Singh.  Seiner Auffassung nach hätte Nirbhaya den Missbrauch einfach über sich ergehen lassen sollen. Der richtige Skandal ist jedoch nicht die eiskalte Meinung des Straftäters, die Einblick in die verquerte Denkweise der Vergewaltiger geben sollen, sondern: dass auch indische Polizisten und Politiker immer wieder den Frauen selbst die Schuld geben. Äußerungen wie die von Mukesh Singh dürfen durch die Verbannung des Films nicht unter den Teppich gekehrt werden – so können gefährliche Ansichten reifen – sie müssen öffentlich diskutiert werden.

Ein indisches Gericht kritisiert außerdem, dass der Film die öffentliche Ordnung bedrohe. Vermutlich hatte die Regierung Angst, die Proteste nach der Vergewaltigung 2012 könnten erneut aufflammen. Genau das wäre aber richtig! Indische Frauen sollten so lange auf die Straße gehen, bis ihre Sicherheit in jeder Gesellschaftsschicht diskutiert wird. Nur so kann sich die systematische Unterdrückung der Frauen in Indien auf Dauer wandeln. Indien muss das Vergewaltigungsproblem noch stärker in der Öffentlichkeit diskutieren und ein wichtiger Schritt wäre, den Bann des Films umgehend aufzuheben.