Wir begegnen uns in einer kleinen Gasse in Kalkutta. Indiens Teemetropole. Seine Augen wandern langsam von meinen Haarspitzen bis zu den Sandalen. Er ist ein grauhaariger Teehändler, dessen Export Geschäft schon lange nicht mehr läuft. Hinter ihm türmen sich Kisten Darjeeling Tee. Sie sind ziemlich eingestaubt. Seinem Angestellten gibt er mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass er Masala Chai kochen solle. Der ältere Herr zeigt auf einen kleinen Holzhocker. Ich setze mich.

Er: „Du bist sehr hell, woher kommst du?“

Ich: „Deutschland“

Er: „Und wie heißt?“

Ich: „Cosima“

Er: „Mmmh, bist du bereits verheiratet?“

Ich schüttele den Kopf. Ein Lächeln breitet sich in seinem Gesicht aus, vier Zahnlücken werden sichtbar.

 Er: „Ich habe einen Sohn, der ist in deinem Alter. Er sieht nett aus, ihr würdet gut zusammen passen.“

Geht es um das Heiratsgeschäft, kommen Inder direkt zur Sache. Hier werden die meisten Ehen immer noch arrangiert. Aus Liebe heiraten wenige. Der Teeverkäufer sitzt mir gegenüber und wartet auf eine Antwort. Wie soll ich das freundlich formulieren?

Ich: „Nein, Danke. Das möchte ich lieber selber entscheiden.“

Ein bisschen enttäuscht guckt er schon – in seinem Kopf spielte sich wohl bereits eine dreitägige indisch-deutsche Hochzeit ab. Zwei Tage nach meiner Rückkehr aus Kalkutta gerate ich in eine ähnliche Situation. Dieses Mal in Neu Delhi. Anscheinend haben die Inder das Gefühl ich sei langsam im heiratsfähigen Alter.

Ein alter Bekannter meiner Familie lädt mich zum Essen ein. Als ich zum vereinbarten Treffpunkt komme, ist er selbst noch nicht da. Stattdessen empfängt mich ein Freund unseres Familienfreundes. Jazz Musik dudelt leise im Hintergrund. Ich setze mich in einen alten braunen Sessel. Der Jazz-Liebhaber, so erzählt er mir, wird mit zum Abendessen kommen. Auch er hat viele Fragen. Welche Universität hast du besucht? Wie viele Geschwister hast du? Die Fragen scheinen nach einem bestimmten Raster abgehackt zu werden.

Dann kommt sein entscheidende Satz: „Ich habe zwei Söhne, der Ältere ist verheiratet und lebt in den USA, der Jüngere ist ein erfolgreicher Restaurantbesitzer aus Delhi. Er ist unverheiratet. Du lernst meinen Jüngsten gleich kennen – er kommt zum Essen.“

Ich denke an die Situation in Kalkutta. Endlich kommt der Bekannte meiner Eltern dazu. Auch der jüngste Sohn seines Freundes trifft ein. Wir trinken Rotwein. Die Herren ermutigen den Sohn sich selber an den Flügel zu setzen und ein paar Lieder zu spielen. Der Junge sei sehr talentiert, ein großartiger Musiker, bekannt in der Branche. Mit einer Handbewegung werde ich zum Piano gelenkt – ein Foto soll von dem talentierten jungen Musiker und mir gemacht werden. Ob mir seine Musik gefalle?

Der gesamte Abend ähnelt einer Werbeveranstaltung für den Junggesellen. So ein großartiger Kerl – das müsse ich doch einfach bemerkt haben. Zum Ende hin werden wir mehr als einmal ermutigt die Nummern auszutauschen. Wir hätten so viel gemeinsam, müssten zusammen Neu Delhi erkunden.

Mir fällt ein, dass ich dringend nach Hause muss. Ich lasse mein Taxi ungern vor der Tür warten. Die Jazz Musik verfolgt mich bis zum Auto. Manchmal kann das Leben als Frau in Indien ganz schön anstrengend sein.